Welche Besonderheiten wir Deutschen beim Autofahren an den Tag legen, wurde mir erst bewusst, als ich nach fast einem Jahr Außerhalb, mitten in der Nacht, bei Mühlhausen, plötzlich wieder deutsche Autobahn unter meinen Reifen hatte und deutsche Autofahrer auf der Straße.
Schon bei der Fahrt nach Spanien ist mir irgendwann in Frankreich die Erkenntnis gekommen wie sehr ich den Verkehr aufhalte, weil ich ein paar Andersartigkeiten nicht geschnallt habe.
Ich fahre z.B. auf der rechten Spur und sehe, dass ich bald mal nach links wechseln sollte, da bald ein LKW kommt, der bedeutend langsamer ist als ich. Beim Blick in den Rückspiegel bemerke ich aber, da kommt einer auf der linken Spur angerast. Natürlich lasse ich den erst vorbei. Kannte ich ja auch so von deutschen Autobahnen. Man wechselt nicht einfach nach links, man muss aufpassen, dass da niemand kommt. Wir wollen ja keine Raser beim rasen stören. Und ich warte, bis der Typ mich endlich überholt. Aber er bleibt hinter mir und ich habe es erst ganz spät gemerkt, der wollte mich raus lassen. Und nach ein paar Gesprächen und Recherchen hat sich die Sache aufgeklärt. In Frankreich und in Spanien ist der, der links überholt auch dafür verantwortlich, dass die anderen auf der rechten Spur auch überholen können. Also nicht linke Seite und dann gibs ihm, bis zum Ziel. Nein, das wird sogar kontrolliert, es gibt ordentlich eine auf den Deckel, wenn man rücksichtslos und egoistisch fährt. Das mag vielleicht auch der Grund sein, warum ich weder bei der Hin- noch bei der Rückfahrt einen einzigen Unfall gesehen habe. Also wenn man schon von weitem eine LKW Kolone sieht und dazwischen ein Auto, dann lässt man das raus. Ich war davon komplett überfordert, hatte es aber irgendwann drauf, dass ich auch viel entspannter gefahren bin. Also auch wenn ich links gefahren bin und habe in einiger Entfernung den nächsten LKW gesehen, konnte ich entspannt auf die rechte Spur zurück, weil ich wusste ich komme wieder raus, ohne, dass ich abbremsen muss.
Auf normalen Straßen ist es dort so, wenn da ein Fußgänger an der Straße steht und rüber will, dann fährt man nicht noch mal extra schnell um vorbei zu kommen, nein, man fährt langsamer damit er auch rüber kann.
Ich steh mehrmals täglich an der Otto Stomp Straße hier in Halle und kann da immer wieder beobachten, dass Autofahrer schneller werden, wenn sie sehen, dass da jemand über die Straße möchte. Erst ich, dann du.
Hier ist auch zu beobachten, das Fußgänger regelrecht über die Straße rennen, obwohl sie eine grüne Ampel haben. Nur weil ein Auto einen grünen Pfeil hat und schon halb auf dem Fußgängerüberweg steht um endlich rechts weiter fahren zu können. Ich würde nie absichtlich bummeln und ich lasse natürlich nicht meine Hunde auf der Straße rum schnüffeln wenn da Verkehr ist. Aber ich hetze auch nicht. Und der nächste der genervt guckt oder rum gestikuliert bekommt eine volle Hundekacktüte unter den Scheibenwischer geklemmt. Erst recht wenn es so ein SUV Fahrer ist.
Auf jeden Fall – entspanntes Auto fahren – und dann, zurück in Deutschland. Mühlhausen, deutsche Autobahn, ich brülle zu Ute „Wir sind zurück in Deutschland!!!“ und ich war übermüdet und es hat geregnet und es muss so um Mitternacht gewesen sein.
Strahlend sause ich durch die Gegend. Irgendwann habe ich einen LKW überholt. Mit 120 Sachen, obwohl es in Strömen geregnet hat. Auf halber Höhe des LKWs plötzlich hinter mir Lichthupe, ich bin aber nicht schneller geworden, da es einfach mal geregnet hat und man nicht gut gucken konnte. Dann richtige Hupe. Ich werde schneller, fahre am LKW vorbei, schere aber natürlich nicht einen Meter vor ihm wieder ein. Ich fahre noch ein paar Meter wegen dem Sicherheitsabstand, aber zu Spät. Mit Lichthupe und richtiger Hupe werde ich rechts überholt. So schnell, dass ich noch nicht mal erkennen konnte was es für ein Auto war. Und ich fuhr mittlerweile 140 Sachen.
Nun ja, hier muss man sich wieder angewöhnen, dass der Autofahrer der König ist. Das merkt man gut wie sträflich hier die Fahrradwege zugeparkt oder im Winter zugeschoben werden.
Ich stell mir gerne vor, wie die Straßen hier in Halle aussehen würden, wenn alle die hier leben und arbeiten, öffentliche Verkehrsmittel oder vielleicht sogar das Fahrrad nehmen würden. Ich weiß aus Erfahrung das es geht. Ist zwar manchmal unbequem, gerade mit einkaufen oder mit einem kleinen Kind, dass noch nicht selber Rad fahren kann, aber machbar. Aber so lange ein Auto für die meisten noch ein Prestigeobjekt ist, wird sich daran nichts ändern. Ist halt so. Schade.
Vielen lieben Dank für diesen (mal wieder) sehr schönen Artikel. Als Nicht-Autofahrer (mit Kind hinten auf dem Fahrradsitz) wird mir dieses Drama jedes Jahr läsiger. Gerade die Tage, an denen es regnet aind am schlimmsten und alle müssen unbedingt auf das rechts-vor-links achten, anstatt vielleicht mal etwas Menschlichkeit an den Tag zu legen und die, die beim Warten nass werden vor zu lassen. Ich sehne mich nach einer Zeit, in der es weniger Autos gibt (vor allem keine SUVs mehr) und ein Funke mehr Rücksicht. Und ich hoffe, es wird radfahrerfreundlicher. Vielleicht sollte ich auch lieber solche Utopien über Bode werfen und nach Frankreich oder Spanien ziehen? 😉
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Ich fürchte auf eine Autofreie Zeit wirst du vergeblich warten. Wenn das Öl alle ist würden einige ehe das Auto mit Herzblut betanken als darauf zu verzichten.
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Wahrhaftig eine gruselige Vorstellung. Vielleicht findet hier und da ja doch noch etwas Umdenken statt, ich wünsche es der Welt. 🙂
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Wie ich deutsche Autobahnen und die Rüpel darauf HASSE. Immer Stress, immer der ängstliche Blick in den Rückspiegel, und immer hänge ich hinter irgendwelchen LKWs, weil sich die mit den dicken „Rennwagen“ zu fein sind mich mal rauszulassen. Und dann steht einem ständig einer im Kofferraum. Mein Scheibenwasser ist regelmässig leer, weil ich den Knopf bei Dränglern gerne betätige, damit sie zumindest ein wenig Abstand halten. Wenn ich mal unvorhergesehen bremsen müsste, würden die einfach über mein Auto weg rasen und mich komplett platt machen 😦
Ich finde es immer sehr angenehm, wenn ich dann mal wieder in Belgien oder den Niederlanden unterwegs bin. Wegen der Geschwindigkeitsbegrenzung, alles ist da etwas entspannter. In Frankreich sowieso.
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Geschwindigkeitsbegrenzung *seufz* – geht hier aber nicht. Zeit ist Geld!!!
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