Gibt es Sachen die ich bereue oder machmal bedauere?
Natürlich. Nichts was mich aus der Bahn wirft oder sehr viele Schlaflose Nächte bereitet. Aber das ein oder andere wo man beim dran denken ein schweres Herz bekommt.
Es war an einem Tag wo mich mein Job wieder mal besonders angekotzt hat, mehr als sonst und ich dachte, so kann das auf keinen Fall weiter gehen.
Ich habe erstmal in einen Kalender geguckt, wann mein liebes Fräulein Abiturprüfungen hätte und wann so ungefähr dann die Sommerferien 2016 anfangen.
Da wusste ich schon mal das Datum, wann das liebe Fräulein das Haus verlassen würde um in die Welt zu ziehen. Für mich war dann mal so der Stichtag der 1.6.2016.. Von da an sollte es ein Ende haben mit meinem Kackjob.
Ich habe dann sie Tage rückwärts gezählt und mir ein Maßband gebastelt, wo man jeden Tag ein kleines Datum-Streifchen abschneiden konnte.
Das Kalender-Maßband fing an bei 1360 Tagen und war eine ziemlich dicke Rolle. Die gut sichtbar an meinem Schreibtisch hing.
Während die Rolle immer dünner wurde, fing ich an weitere Kalender zu entwerfen. Einen wo ich die Monate weg gestrichen habe, einen wo die einzelnen Quartale abgeschnitten wurden.
Ich hatte mehrere Listen. So und so viel Tage mit und ohne Wochenenden/ Urlaub.
Ich malte Blumen auf das Datum wo ich meine Kündigung einreichen würde, ich veranstaltete für mich kleine Feiern, wenn die Tage durch 9 teilbar waren, weil das meine Glückszahl ist.
2016 übernahm ich das Rückwärtszählen auch zu Hause. In unserer Einraumwohnung hing ein großer „Nur noch xxx Tage“ Kalender. Das liebe Fräulein verlor irgendwann mal die Nerven und brüllte mich an, ich würde sie damit unter Druck setzten und es sehe so aus, als wenn ich die Tage zählen würde, wann sie endlich abhaut. Nun, da es zu der Zeit wirklich sehr anstrengend war mit zwei Bienenköniginen in einem Stock, hat das auch seine Richtigkeit gehabt.
Ich habe meine Kündigung drei Monate vorher abgegeben. Erstmal weil ich es echt nicht abwarten konnte und ich habe auch ein bißchen gehofft, ich werde frei gestellt. Aber das war nichts. Die Tage vergingen immer langsamer. Ich habe mir einen Cowndown runter geladen, vor dem ich quasi meditiert habe.
Nun, egal wie lange es sich gezogen hat, irgendwann hatte ich es geschafft und ich konnte die Bude nach über 13 Jahren verlassen, ohne dass ich eine Träne vergossen hätte. Obwohl ich die Kollegen und mein Team schon immer noch mal arg vermisse.
Auf Föhr angekommen war es dann ja richtig grauenhaft. Aber im Kopf hatte ich ja das „Du musst den Job behalten“ Ding. Es war also Ende Juni und ich hatte die Nase gestrichen voll und Urlaub würde es erst im Februar geben.
Also habe ich in den Kalender geguckt und die Tage zusammen gezählt. In meinem kleinen Zimmer wollte ich dann nach Feierabend ein Kalender Maßband bis Februar basteln.
Und als ich da saß mit Schere und Papier in der Hand, traff mich echt der Schlag.
War ich bescheuert? Wie kann ich meine Zeit so vertun? Als würde ich im Gefängnis sitzen und hätte keine andere Möglichkeit? Meine kostbare Zeit so verstreichen lassen?
Auf der Fahrt nach Hamburg, am 18.6.2016 sollte ich doch gelernt haben wie schmerzhaft man auf sinnlos verstrichene Zeit zurück guckt. Hat es mich nicht fast um den Verstand gebracht, dass die Zeit mit dem lieben Fräulein einfach so undankbar abgehakt wurde anstatt jeden einzelnen Tag zu feiern? Die Tage die hier eine Zahl auf dem Papier waren sind Lebenszeit. Und ich würde jubeln wenn sie weniger werden.
Mit dieser Erkenntnis öffnete sich das Gefängnis in meinem Kopf einen Spalt. Es ist immer noch da. Manchmal ertappe ich mich wie ich mir selbst die Türe von innen zu halte.
Das sind nicht andere, vielleicht die Vorstellung die ich von den anderen habe.
Aber sobald ich das Bedürfnis habe, die Tage rückwärts zu zählen um ein Ereignis oder eine Phase schneller verstreichen zu sehen, dann weiß ich, dass es nicht das Richtige ist. Dann verändere ich es so, dass ich die Tage genießen kann. Das muss gehen. Irgendwie.
Daran glaube ich.