Mit Sicherheit

Nun, ich hatte eben ein ganz schönes Geraffel bis ich meinen Kaffee hatte. Weil ich die Gaskartusche wechseln musste und die Schrauben nicht so sorgsam überprüft hatte wie ich es noch getan habe, als alles noch ganz neu war. Mein Gaskocher hat also an Stellen gebrannt wo er es nicht hätte tun sollen und als erstes habe ich laut gequikt, dann habe ich das Gas abgestellt und danach habe ich gedacht ich sollte mir besser was ordentliches anziehen bevor ich weiter versuche Kaffee zu kochen.

Meine beiden Omas haben die Notwendigkeit von sauberer Unterwäsche und ordentlicher Kleidung immer damit begründet, dass man ja mal einen Unfall haben könnte und dann wenn man vom Krankenwagen abgeholt wird dann schämt man sich. Und das schlimme wäre ja, sie würden nicht nur über mich lachen, sondern auch über meine Mutter, die zugelassen hat mit dreckigen Klamotten aus dem Haus zu gehen.

Und ich dachte, wenn jetzt mein Wagen explodiert und meine Leiche hier in den Bäumen verteilt ist, wird mein liebes Fräulein noch trauriger sein wenn ich den alten karierten Schlafanzug mit Loch im Knie trage? Wird es sie beruhigen wenn ich eine Jeans und ein cooles Shirt trage? Sollte ich mir besser die Fußnägel lackieren falls ich beim auseinander fliegen die Hausschuhe verliere?

Nun gut, alles ist vorbei, der Kaffee ist fertig und ich hab nur noch ganz leicht wackelige Ellenbogen.

Und da dachte ich ein Text über Sicherheit, wäre mal angebracht.

Das was ich hier tue, so im Bauwagen wohnen, ist ja im Prinzip nur geduldet. Und das bereitet vielen Bauchweh. Man möchte Sicherheit. Die Sicherheit, dass man bis zur Rente hier genau so leben könnte. Nur geduldet sein wäre für viele kein Zustand. Sie wollen eine amtliche Genehmigung. Das alles seine Richtigkeit hat. Für immer. Und wenn es jemand genehmigt für, sagen wir mal, 5 Jahre, dann wird 5 Jahre geheult und geschrien, weil man nicht weiß was nach den 5 Jahren passieren soll.

Man braucht Sicherheit. 100% Das geht mir genau so. Ich habe immer eine Gas Ersatzflasche unterm Wagen stehen. Der Gedanke, dass an einem Sonntag Mittag plötzlich das Gas alle ist, der macht mich verrückt. Sobald die, die ich im Benutz habe spürbar leichter wird, werde ich nervös.

Kaffee, ich habe immer genug Kaffee da. Ein Vorratspäckchen. Geschlossen. Und sobald es auf ist, ein neues besorgt. Das selbe bei Klopapier und Mehl.

Mehr Sicherheit? Gib es nicht.

Vielleicht wenn du verbeamtet bist oder eine Professur an der Uni hast. Dann kann man sich ein bißchen zurück lehnen.

Ich war ja mal richtig Angestellte in einer großen Firma und wir dachten alle das wäre ein sicherer Job. Bis eines Tages alle nach und nach zu einem Gespräch eingeladen wurden weil man sich dazu entschlossen hatte sich von 40 Menschen zu trennen. Ich musste ungefähr eine Woche warten bis ich meinen Termin zum Gespräch hatte und hatte mir da schon gedacht, dass ich die Sicherheit die ich bis dahin auf meinem Arbeitsplatz gefühlt habe nie wieder so wahr nehmen werde.

Als ich auf Föhr den Job des Grauens hatte, konnte ich erst nicht kündigen, weil die Sperre im Kopf das gar nicht zugelassen hatte. Man kann doch nicht einfach einen Job hin werfen. Was willst du denn dann machen. Aber ich war ja gut in Übung.

Was bringt dir ein sicherer Job, wenn dich die Arbeit so krank macht, dass du jeden Morgen mit Bauchweh zur Arbeit gehst und erstmal weinen musst wenn du den Tag überstanden hast?

Was bringt dir ein sicheres, eigenes Grundstück mit Haus, wenn plötzlich in die Nachbarschaft ein Psycho zieht und du dich nicht mal mehr trauen kannst die Kinder in den Garten zu lassen?

Mit unserem Drang nach Sicherheit legen wir uns oft selber ein so enges Korsett um, in dem wir nur beschwerlich atmen, geschweige denn uns bequem bewegen können.

Gut – mit Kindern ist das alles noch mal ein anderes Kapitel.

Aber die meisten, die gerne würden und sich nicht trauen sind tatsächlich kinderlos und haben auch nicht vor den Zustand zu ändern. Weil die Welt so schlecht ist, da will man keine Kinder rein setzen. Aber anstatt den Arsch hoch zu kriegen und die Welt zu einem schöneren Ort zu machen, für die Kinder die schon da sind, wird eine scheinbare Sicherheits und Komfortzone erduldet, die einem gar nicht steht.

Aber wenn man da erst mal raus ist, dann wird der Horizont so weit und für den Rest findet sich immer eine Lösung.

Wenn man die Schwelle, aus der Komfortzone überschritten hat, geht es ja nicht nur – im freien Fall strack in eine Richtung, nämlich nach unten. Sobald Schwerelosigkeit erreicht ist, stehen dir alle Richtungen offen.

5 Gedanken zu “Mit Sicherheit

  1. Gott, von meiner Oma habe ich auch die Unterwäschenpanik! Vielleicht behandelt mich der Notarzt nicht, wenn ich nicht ordentlich gekleidet bin…

    „Was bringt dir ein sicherer Job, wenn dich die Arbeit so krank macht, dass du jeden Morgen mit Bauchweh zur Arbeit gehst und erstmal weinen musst wenn du den Tag überstanden hast?“ -> spricht mir total aus der Seele

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    • Wenn alle irgendwann zu dieser Einsicht kämen, müssten sich einige Chefs ganz schön drehen und würden aufhören müssen ihre Mitarbeiter wie Dreck zu behandeln.

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  2. Ja da stimme ich euch vollkommen zu das mit der sicheren Arbeit und Bauchweh dabei. Ich musste nach der schule eine Ausbildung anfangen auf dem Finanzamt weil da meine Mutter bis zu ihrer Krankheit auch gearbeitet hatte. Ich hielt es 6 Monate aus dann Waren meine Leistungen so schlecht dass man mir nahe legte zu gehen um dem Amt keine Schande zu machen. Ich ging jeden morgen mit Bauchweh dorthin. Dann machte ich ein Praktikum in einem Mutter Kind Kur heim und hatte eine Chefin die mich triezte wo sie konnte. Bauchweh. Ich musste bleiben bis man ihr kündigte. Dann ein jahr fsj. Ein traum. Dann meinte meine Tante ich solle altenpflegerin werden. Albtraum. Sie überwachte mich und ich litt still vor mich hin. Dann wurde ich schwanger und der Albtraum War vorbei. Heute bin ich verheiratet, Mutter und hausfrau. Habe schon Zeitung ausgetragen und schulen und Kindergärten geputzt und nach einer gewissen Zeit Bauchweh bekommen. Rente gleich null. Habe bei einer Freundin die Ferien Kinder bekommt und ging in der Arbeit auf. Sicherheit?

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    • Aber mit diesem Weg bist du vermutlich eh erst „Rentenbedürftig“ wenn du schon sehr, sehr alt bist und kannst so lange dein Ding in deinem Tempo durchziehen. Du hast auch nicht viel mehr Sicherheiten als andere Lohnempfänger. Aber Sicher viel mehr Ruhe.

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  3. Ja da hast du recht. Die vielen Menschen die ich kennen lernte haben nur über ihre Arbeit geschimpft und bekamen eine sehr sehr negative Einstellung zum lebem. Sie machten den Job nur eben dem geld und der Rente wegen. Glücklich waren sie nicht. Sie bekamen die ei und die andere Krankheit und wurden immer unleidlicher. Sie beschimpften die Hausfrauen die daheim sind als faule menscher. Ich bekochte die ferienkinder. Ich bekam sehr viele lobe über das essen

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