Ein Herz fürUnerwünschtes

Mein großes veganes, tierfreundliches Herz hatte keinen Platz für … Insekten.

Niedliche Honigbiene, Hummeln, Mutschekiebchen, vielleicht noch Libellen aber das wars dann auch.

Von je her ekel ich mich vor Spinnen und Zecken und habe eine übertriebene Angst vor allen Krabbeltieren die Stechen können.

Ich glaube ich habe mehr als eine Gartenparty massiv gestört, weil ich mit zusammengekniffenen Augen und mit wedelnden Pfoten schrill rumgequieckt habe.

Trotz fehlender Empathie für Insekten haben mir aber damals schon Fliegen, die ihre letzten Stunden mit den Flügeln an diesen gelben Klebefallen hingen mein Herz etwas schwer gemacht. Was für ein fieser, tagelanger Tod. Aber gerade in ländlichen Gegenden eins der wenigen Mittel um dem Geschwader Einhalt zu gebieten.

In Spanien konnte man die „extremen“ Veganer am leichtesten im Pool erkennen. Die können keine Bahn durchschwimmen. Reinspringen, Insekt retten, an den Rand schwimmen, halbe Bahn schwimmen, nächsten Käfer retten, zum Rand schwimmen und so weiter. Am Ende lagen dann unzählige, halbersoffene Käfer und andere Flugtiere am Poolrand.

Ich bin meine Bahnen geschwommen und habe mir gesagt, dass ich sie ja nicht reingeworfen habe. Fertig. Ich mach mich wohl zum Sklaven der Stubenfiege oder was.

Aber es scheint ein schleichender Prozess zu sein eine gewisse Sensibilität, auch für die unansehnlichsten und kleinsten Wesen zu entwickeln.

Noch im frühen Frühjahr bin ich mit den Hunden am Hufeisensee unterwegs gewesen, bin da entlang gestapft um dann wild fluchend doch wieder ein paar Meter zurück zu gehen, weil mir die Schnecke, Hummel, Raupe die ich aus dem Augenwinkel doch noch irgendwie registriert hatte keine Ruhe ließ.

Vor ein paar Tagen bin ich erst auf allen Vieren über den Weg am Golfplatz gerutscht weil alle paar Meter eine fette rothaarige Raupe am Pflaster unterwegs war, die ich dann mittels kleiner Stöckchen aufgehoben habe um an den Straßenrand ins saftige Grün zu setzen.

Ja, ja. Was ist nur aus mir geworden.

Aber das Krasseste … Wespen … mag ich nicht so … hatten wir ja gerade. Ich bin da extrem schmerzempfindlich und da ich ja so eine Zarte bin muss ich auch richtig heulen wenn ich gestochen werde. Selbst wenn jemand da wäre der mir ein Kussi aufs Aua geben würde.

Und im April, da sehe ich doch nicht etwa wie eine Wespe in ein ungenutztes Schraubenloch in meinen Wagen kriecht.

Ich leuchte rein und sehe ein kleines Wespennest. Die kannte ich schon aus Spanien. Ganz kleine Wespennester, die wie kleine Schirmchen gebaut werden. Am liebsten im Türrahmen meines Busses. Das Nest war schon belegt und zwei Wespen saßen drinnen und guckten raus.

Nun habe ich zwar in Biologie nicht so aufgepasst, bin mir aber sehr sicher, dass bei Insekten dieses gängige Familienkonzept „Vater, Mutter, Kinder“ nicht so gelebt wird.

Trotzdem guckten diese Wespen mit einem ängstlichen Ausdruck raus. Ängstlich, aber zu allem bereit. Und Draußen patrouillierten dann auch noch Hornissen, die Totfeinde der Wespen. Das alles zwei Meter vor meinem Eingang. Ich stande da, mit einem Stöckchen in der Hand um das Nest aus dem Loch zu popeln und die flüchtenden Eltern ihrem Hornissen- Schicksal zu überlassen.

Und dann dachte ich „Ach verdammte S*****e. L**k mich in die F****e ges******n!“ Und das Nest blieb. Ich äugte noch mal in das Loch und rief eine einmalige Warnung. „Geht mir bloß nicht auf die Eierstöcke! Und wenn ich nur ein mal gestochen werde spritz ich Bauschaum ins Loch und lass euch da drinnen krepieren!“

Abends saß ich dann im Lehnstuhl vorm Wagen und die beiden Wespen nebeneinander am Locheingang.

Im Loch steckt aber auch ein Hacken mit einer kleinen Blumenampel. Wenn man daran rüttelt, wackelt das ganze Nest.

Im Juni habe ich direkt darunter ein Loch gegraben um eine Rankpflanze zu pflanzen. Mit meinem Hintern stieß ich immer wieder gegen die Blumenampel und plötzlich hob eine der Wespen ab, flog eine Runde um meinen Kopf und stach mich in den Oberarm. Ganz, ganz vorsichtig. Es ist noch nicht mal angeschwollen. Sie flog wieder eine Runde um meinen Kopf und setzte sich in den Eingang um mich vorwurfsvoll anzustarren.

Und ich wusste, dass es nur ein Warnstich gewesen ist. Nachdem ich die Wespe eine blöde Kuh genannt habe, entschuldigte ich mich und war etwas vorsichtiger.

Bald waren um und in meinem Wagen sehr, sehr viele kleine Wespen unterwegs.

Weil sie echt penetrant sind wenn es z.B. um Marmelade geht, hab ich dann doch mal mit einer Zeitung nach ihnen gehauen … um sie zu verscheuchen. Getötet habe ich nicht eine. Im Gegenteil, ständig musste ich die Idioten überall raus fischen.

Aber was soll ich sagen – ich bin, bis auf den Warnstich, nicht ein einiges mal gestochen worden. Keiner, der mich auf dem Platz besucht hat ist gestochen worden.

Ich habe mal gegoogelt, weil ich doch sehr verwundert war. So friedfertige Wespen hatte ich noch nie erlebt. Es gibt recht viele Wespenarten, die alle unter den schlechten Ruf der gemeinen Wespe oder der deutschen Wespe zu leiden haben. Und ich glaube das war die „Sächsische Wespe“.

Die gibt’s wirklich. Steht bei Wiki! Und ich musste die ganze Zeit vor mich hin kichern weil ich mir immer vosgestellt habe wie die Wespen so rumfliegen und die ganze Zeit „Eiverbibbsch“ sagen.

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Das leere Nest

Jetzt Ende August ist es ruhiger geworden. Die Wespenkinder sind aus dem Haus und kommen nur noch ganz selten vorbei. Vermutlich wenn sie irgend was brauchen. Und heute morgen lag eine tote, große Wespe auf meiner Fußmatte. Ich weiß das ist vollkommen bescheuert aber irgendwie dachte ich es wäre die „Mutter“.

Dann habe ich sie vorsichtig an den Flügeln hoch genommen, damit sie mich nicht doch noch sticht und wollte sie erst in meinen Kompostbehälter werfen, zu der Zitronenschale und zu den Teebeuteln.

Dann habe ich mir die Schuhe angezogen und habe sie in mein Lavendelbeet gebracht.

Das ist nun aus mir geworden.

5 Gedanken zu “Ein Herz fürUnerwünschtes

  1. Ich wurde schon mehrmals von einer Wespe gestochen und auch schon von Bienen. Tatsächlich tut der Wespenstich nicht so weh wie ein Bienenstich. Doof ist halt, das die Wespen gleich mehrmals hintereinander stechen können.
    Hast Du Wespen schon mal beim Jagen in der Luft zugeschaut? Total faszinierend. Da stürzt sich die Wespe aus der Luft auf die vorbei fliegende Fliege, kullert mit ihr zu Boden, tötet sie und fliegt dann mit der Fliege wieder davon.
    So halten sie Dir dann auch die Fliegen weg 😉 auf sehr biologische Art und Weise!

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