Unsere Generation …

Schon seit langer Zeit gibt es diese kleinen Videos über unsere Generation. Das erste was ich sah fing an mit „Kinder die vor 1974 geboren wurden…“

Darin wurde aufgelistet, warum wir viel krasser sind als die Rotznasen die nach 1974 geboren wurden. Jetzt gibt es die gleichen Videos, nur beginnen sie inzwischen mit „Kinder die vor 1989 geboren wurden.“ Will wohl jeder dazu gehören zur coolen Generation.

Nun darin stehen dann solche Sachen, dass wir kein Handy hatten und nicht mit dem Auto zur Schule gefahren worden sind, dass wir vom Lehrer oder von Fremden noch eine gescheuert bekommen haben und wenn wir dann nach Hause gelaufen sind, dann gabs gleich noch eine hinter die Ohren, weil man sich wegen so einem Mist beschwert hat und eh selber Schuld gewesen ist. Es wird ein Loblied gesungen weil wir ohne Fahrradhelm gefahren sind und keine extra Kindersitze hatten, wir sind mit geflickten Klamotten in die Schule gegangen und hatten viel weniger Fernsehprogramme.

Wir bekamen eine Sat Schüssel als ich 16 war und wenn meine Mutter kein Machtwort gesprochen hätte würde ich heute noch in unserem Wohnzimmer sitzen und Headbangersball gucken. Das ich kein Fernsehsuchti geworden bin lag nicht an mir, sondern an meinen Eltern.

Wir hatten eine vierstellige Telefonnummer, aber viele von meinen Freunden hatten sogar dreistellige. Und ich habe Milch mit der Milchkanne geholt.

Das erste Video dieser Art fand ich ganz amüsant. Irgendwann fand ich es albern.

Sich lustig machen über die „Generation Weichei“. Ätsch, ätsch, wir sind auf dem Rücksitz rumgehampelt, ohne Kindersitz und der Fahrer hat machnmal sogar geraucht und ihr Warmduscher seid mit Fünfpunktsicherheitsgurt angeschnallt.

Ich kann mich an keinen Moment erinnern wo mir das liebe Fräulein gesagt hat „Mutter, bitte schnall mich an und dann kauf mir bitte noch einen vernünftigen Fahrradhelm.“ Ich muss gestehen, dass ging allein von mir aus. Obwohl unsere Kindheit doch voller Abenteuer war, so ohne Sicherheitsgedöns.

Ja ich kann mich daran erinnern von Lehrern geschlagen worden zu sein. Meine Lehrerin hatte viele Jahre vorher meinen Vater unterrichtet und war es gewohnt Kinder zu Ohrfeigen. Das hat tatsächlich keinen gestört. Was will man denn sonst machen, wenn Hausaufgaben nicht gemacht wurden. Aber scheinbar hat das unsere Generation doch nicht so toll gefunden, weil wir sind ja die, die jetzt bei jedem Scheiß in die Schule rennen. Mein Kind ist nie zu mir gekommen und hat gesagt „So, wir Grundschüler haben jetzt eine Pedition unterschrieben, dass die Prügelstrafe verboten wird.“ und ich habe nie gesagt „Stellt euch nicht so an ihr Weicheier.“

Also, diese Videos fand ich immer recht albern, konnte es aber gut ignorieren.

Allerdings hat es in letzter Zeit wieder mal Außmaße angenommen die mich zum brechen bringen.

Es geht nämlich jetzt nicht nur um alle uncoolen Weicheier die nach 1989 geboren worden sind, sondern wendet sich direkt an die „Friday for Future“ Jugendlichen.

Da wird jetzt gehetzt, dass wir geflickte Sachen getragen haben und diese Hosenscheißer Klamotten aus Billiglohnländern tragen, es gleich weg werfen und sich Neues kaufen und somit von Nachhaltigkeit keine Ahnung haben und mal besser die Fresse halten sollten. Außerdem würden sich die Rotznasen mit SUVs zur Schule fahren lassen und jede technische Innovation mitmachen müssen. Sie wären verwöhnte Rotzbälger und Schnautze jetzt.

Wenn es Kinder gewohnt sind, sich mit dem Auto bis vor das Klassenzimmer kutschieren zu lassen, dann liegt das nicht an der Faulheit der Kinder.

Weil im Auto sitzt ein Elternteil, dass mit seinem Verhalten Faulheit und Bequemlichkeit antrainiert.

Ich wäre natürlich auch viel lieber mit dem Auto in die Schule gefahren worden. Aber meine Mutter hätte mich gefragt ob ich noch alle Tassen im Schrank habe, wenn ich mit so einer Bitte angekommen wäre.

Sind unsere Kinder alleine darauf gekommen sich ständig alles neu zu kaufen, anstatt zu flicken?

Oder haben wir das Verhalten vielleicht irgendwie unterstützt?

Wir, das liebe Fräulein und ich, hatten lange Zeit kein Auto und keinen Fernseher. Obwohl alle das hatten. Sie hatte kein Nintendo irgendwas und auch nicht ständig neue Klamotten. Und – sie hatte trotzdem Freunde und ist nicht gemobbt worden, obwohl sie mir genau das ständig prophezeit hatte.

Natürlich war da die eine, die mit 13 schon fett geschminkt war, die wirklich immer sehr schick aussah und natürlich ein Iphone hatte. Und natürlich hat sie immer ein bißchen zum lieben Fräulein runter geguckt und geschmunzelt. Aber da das liebe Fräulein gute Freunde (also in echt)  hatte, hat sie das nicht gestört. Denn ich habe ihr beizeiten beigebracht, dass es nicht nottwendig ist jedem gefallen zu müssen und das es immer Menschen gibt, die einen gerne anders hätten als man ist.

Wir erzählen jetzt verächtlich wie wir noch mit Einkaufskorb und Stoffbeuteln beladen, kilometerweit zum Kaufmann gewandert sind. Ja, prima, dass wir das der Generation Frida erzählen können. Denn sehen können sie nur wie wir mit dem Auto zum Supermarkt fahren um dort Gut und Günstig einzukaufen und gleich noch 5 Plastiktüten mitnehmen.

Das liebe Fräulein ist zur Grundschule gelaufen. Alleine. Irgendwann hat mich eine Mutter angesprochen, wie verantwortungslos das wäre, weil da eine Menge passieren könnte. Ich habe gesagt, dass sie sich bitte um ihr Kind kümmern soll und nicht um meins. Zwei Tage später wurde versucht ein Kind ins Auto zu ziehen, von einem unbekannten Mann. Man dachte über eine Elternpatroullie um die Schule nach. Alles musste abgeschlossen werden und Personenbeschreibungen, die auf fast alle Männer zutrafen hingen überall um die Schule. Ich wurde sehr, sehr empört angeschaut, weil mein Kind immer noch allein zur Schule lief. Eine knappe Woche später kam raus, dass die Geschichte erfunden wurde, weil das Kind zu spät drann war und irgend eine krasse Ausrede gebrauchte. Die übertriebenen Reaktionen kamen nicht von den Kindern, sondern vonn den Eltern, alle vor 1989 geboren.

Das liebe Fräulein hatte Schulfreunde, die in ca. 1km Entfernung wohnten. Sie ist da ab und an hingegangen und immer wieder zurück gefahren worden, weil man Kinder ja nicht alleine auf die Straße lässt.

Als ich noch sehr jung war und die Winter noch voller Schnee, stiegen wir morgens in häßliche Schneeanzüge und fuhren Schlitten, bis es dunkel wurde und jemand zum Essen brüllte.

Unser Haus stand recht weit oben an einem Berg und es waren immer ziemlich viele Kinder da und wir zogen unsere Holzschlitten immer so weit nach oben wie es nur ging. Die Coolen fuhren auf dem Bauch liegend mit dem Kopf voran und machmal banden wir unsere Schlitten aneinander.

Ein paar Jahre später war ich mal zu Besuch bei meinen Eltern und wir konnten vom Wintergarten aus die Kinder beim Schlittenfahren beobachten.

Keine Holzschlitten sondern ultraleichte Plastikschlitten. Oder solche Schneeschaufeln. Zwei mal wurde von ganz oben gerutscht, danch nur noch vom halben Berg, weil es zu stressig war immer wieder ganz hoch zu laufen. Nach ca. einer halben Stunde standen dann alle unten am Berg, plötzlich kam ein Auto und hat ein paar Kinder eingeladen. Der Rest hat sich dann zertreut. Ich stand gerade draußen auf der Treppe und hatte eine geraucht als ein Nachbarskind an mir vorbei lief. „Wo sind denn alle hin?“ Fernsehgucken, es kämme irgendwas auf Pro 7, wurde ich informiert.

Der ganze Schlittenspaß dauerte weniger als eine Stunde. Sind da jetzt die Kinder schuld?

Die tolle Generation der vor 1989 Geborenen, hat es geschafft konsumgeile Weicheier heranzuziehen. Mit liebevoller Inkonsequenz kleine Kunden kreiert, die ihre eigenen Bedürfnisse über die aller anderen stellen. Bedürfnisse und ihre schnelle Befriedigung.

Und nun sind da ein paar, die merken, dass so ein Verhalten supoptimal ist und versuchen was dagegen zu machen. Wenn sie damit Erfolg hätten, müssten wir auch raus aus unserer Komfortzone. Verdammte Kacke. Haben wir sie uns doch so schön aufgebaut in all den Jahren. Dann hätten bald alle die selbe Kindheit wie wir vor 1989. Und wir hätten dann das selbe Erwachsenenleben wie unsere Eltern. Wir müssten endlich los lassen und unsere Kinder wieder laufen lassen, ohne sie mit dem Handy bis aufs Klo verfolgen zu können. Wir müssten wieder daran denken Einkaufsnetze und Körbe mit zum Einkaufen zu nehmen. Wir müssten uns der Diskission stellen nichts Neues zu kaufen, sondern einen Flicken aufs Hosenknie zu nähen und unserem Kind klar machen, dass das jetzt nicht der soziale Ruin ist. Und wir müssten aushalten, dass unser Kind uns doof findet und heult. Und unsere Kinder würden draußen spielen, unbeaufsichtigt, obwohl wir gerade noch im Stern TV gesehen haben wie viele Verbrecher draußen auf der Straße rumspringen.

Ich halte die CO 2 Steuer tatsächlich für wenig sinnvoll und ich glaube auch, dass die Friday for Future Generation gerade ein bißchen beutzt wird, von Menschen die am Ende auch überwiegend auf Macht und ihr Ego schauen.

Aber das wäre nicht möglich, wenn wir krassen Typen, geboren vor 1989, nicht so bockig und eingeschnappt auf Friday for Future reagieren würden. Huhu, da will uns jemand an den übervollen Kühlschrank, der selber noch nie richtigen Hunger hatte. Da will jemand an meinen SUV der selber noch gar kein Auto fahren kann. Jetzt haben wir unserer Brut so ein schönes Nest gebaut und nun machen sie es schmutzig. Die undankbaren Arschlöcher!!!

Wir tollen Menschen, die vor 1974 geboren wurden … wir haben doch die ganzen Skills für ein nachhaltiges Leben. Wir hatten sogar richtigen Handarbeitsunterricht! Wir könnten doch die ganzen rotznäsigen FFFler hernehmen und ihnen zeigen wie Nachhaltigkeit funktioniert.

Back to the Roots quasi.

Dann würde sich kein Kind mehr Freitags dahinstellen müssen, sondern würde sozusagen 7 Tage die Woche demonstrieren. Gegen Ausbeutung, Kapitalismus und Umweltzerstörung. Viel, viel Effektiver.

Wäre das nicht wundervoll?

3 Gedanken zu “Unsere Generation …

  1. Wir hatten es eben heute wieder im gespräch: die demonstrationen müssen weh tun – die SUVs so einbauen, dass es nicht mehr vorwärts/rückwärts geht, klamottenläden nachhaltig boykottieren u.ä, – allein es fehlt der lange atem und der durchsetzungswille wider der breiten masse. Selbst in der fff-bewegung wird immer nach einem konsenz gesucht. Den gibt es nicht – wir müssen alle zum aderlass und die, welche nicht freiwillig erscheinen, werden getrieben und zwar durch die macht der straße… Wenns denn so einfach wäre… Generalstreik!

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