Lieber Schweinehund,
dank deiner fehlenden Feinmotorik war „Coffee to go“ noch nie wirklich unser Thema. Auch wenn du eigentlich schmerzbefreit bist was Peinlichkeiten jeder Art angeht, selbst du magst nicht mit Brandblasen am Kinn durch die Gegend laufen. Das ist uns doch auch schon passiert. Entweder weil der Deckel nicht richtig drauf saß und höllenheißer Kaffee durchgesuppt ist, oder weil wir es nicht auf Kette bekommen haben den Becher anzusetzen ohne irgendwo davor zu rennen.
Trotzdem ist dieser Kaffeebecher zum Wegwerfen ein paar Gedanken wert.
Alle wirklich wichtigen und richtigen Karrierefrauen tragen, wenn sie mit Stilletos durch die Straßen schweben, in einer Hand ihre stylisches Täschchen mit Laptop und in der anderen ihren Coffee to go Becher. Das sieht man in der Werbung, sowie in allen Filmen in denen die Protagonisten Karrierefrauen sind. Die Haare können noch so liegen und fliegen, das Lächeln kann noch so strahlen und die Augen glänzen. Mit nur einer Tasche ist man einfach nur jemand der zur Arbeit geht. Erst mit einem Coffee to go Becher wird das Outfit komplett. Denn mit diesem Becher in der Hand wirkt man so fantastisch busy. Wie eine Business-Frau eben. Mit einem Becher in der Hand sagt man – ich stürz von einem Meeting ins nächste, ich nehm mir hier einfach mal eine kleine Auszeit, weil sonst komm ich ja nie dazu. Und egal (schnurzpiep) wie viele Tüten und Taschen man schleppen muss, eine Hand hat frei zu sein für den Becher.
Solche super hippen Ally McBeal Karriere Meeting Sitzung Paris London Rom Frauen, superschlank und superschön müssen immer mehr als Vorbilder herhalten. Allerdings bewegen sie die Mehrheit ihrer Anhänger nicht dazu ihr Leben einfach anzupacken, spontan zu sein, um die Welt zu reisen oder das Gewicht der Körpergröße anzupassen. Das wäre viel zu anstrengend. Da ist es einfacher, eben auch so einen Coffee to go Becher in die Hand zu nehmen.
Hey ich bin so busy, mit der Bildzeitung unterm Arm und dem Becher in der Hand, bin ich auf dem Weg zum Amt und vorher war ich beim Arzt. Wegen dem tollen Schnabeltassenplastikdeckel kann auch nichts verschütten wenn ich hinter der Straßenbahn herrenne.
Auch ich habe schon Kaffee aus Pappbechern getrunken. Am letzten sonnigen Herbsttag im Park zum Beispiel. Wir saßen noch auf der Bank, keiner wollte nach Hause weil wir die letzten Sonnenstrahlen noch erhaschen wollten und wir hatten Lust auf Kaffee und Kuchen. He – ich bin da doch gar nicht dogmatisch.
Aber damals in Halle, kamen morgens in Scharen Berufsschülerinnen durch meine Straße gelatscht. Bei mir in der Straße konnte man nämlich das ehrenwerte Kosmetiker-Handwerk erlernen. Ins Auge fielen mir immer 10 Mädels. Obwohl sie sich wirklich alle Mühe gaben älter auszusehen, merkte man doch, dass keine über 20 war. Sechs Mädchen waren extrem fett, trugen aber trotzdem Hüfthosen. Die anderen waren extrem dünn. Insgesamt sieben hatten eins dieser Schönheitsfleck-Piercings und alle waren geschminkt, aber gekonnt haben es nur drei. Die anderen sahen aus wie Amy Whinehouses auf Entzug. Und alle, aber wirklich alle, hatten einen Coffee to go Becher in der Hand.
Der Weg von der Straßenbahnhaltestelle bis zur Schule ist keine 100 m. In der Schule gibt es sehr günstige Kaffeeautomaten. Warum also in drei Teufels Namen bringen diese Gänse ihr erbärmlich weniges Lehrlingsgeld in diesen Kiosk an der Haltestelle und geben jeden Morgen 1,80€ aus. Auf meine Nachfrage erntete ich verwirrte Blicke.
Manchmal grenzte es an einer avantgardistischen Choreografie, in nur zwei Händen einen Becher, ein Handy und eine Zigarette zu balancieren ohne sich die Ohren zu verbrennen oder Kaffee aufs Handy zu kippen. Ist schon schwer so als Business-Bitch.
Der Hund und ich sind manchmal stehengeblieben um dieses Schauspiel auf der Straße zu verfolgen. Alle hatten dann im Laufe einer Woche auch mal eine Sprechrolle: „F*ck, halt ma, hatt mal jemand n Tempo?“
Aber die haben das ja nicht mir zum Gefallen abgezogen, sondern wegen der blöden Becher.Somit werden aber x Pappbecher mit genauso vielen Plastikschnabelaufsätzen täglich weggeworfen, innen kalter Kaffee, weil eigentlich nur der Becher ein Zubehör war. Der Müllberg wächst und wächst und wenn irgendwann mal Bergsteigen auf so einer Müllkippe in ist, können wir nur hoffen, dass auf halber höhe ein Kiosk steht der Coffee to go verkauft.
Also an alle „Kaffee-in-der-Straßenbahn-Trinker“ und an alle durch die Stadt laufenden Kaffeetrinker: Ihr seid nicht cool. Ihr seht nicht schwer beschäftigt aus sondern einfach nur wie jemand der morgens nicht mit dem Arsch aus dem Bett kommt oder wie jemand mit einem erbärmlichen Zeitmanagement.