Klar sehen – na so was!

Ich bin jetzt gerade alleine auf der Finca und meine einzige Aufgabe ist es Abends zu gießen. Also mache ich so was wie Urlaub. Und natürlich mache ich mir einen Plan. Aufstehen, heißes Wasser trinken, Yoga Praxis, Atemübungen, mit den Hunden raus, Frühstücken, 10 Minuten Französisch lernen, Slackline üben, lesen in der Hängematte, schreiben, schwimmen, Mittagessen kochen… und so weiter. Und gestern wache ich auf und habe eine Nachricht meiner besten Freundin und Wegbegleiterin auf dem Telefon. Ob wir mal telefonieren wollen. Schwätzchen halten.

Und ich merke wie ich in Panik gerate, weil das gar nicht in meinen Zeitplan passt. Echt. Ich sitze also da, kriege Schnappatmung und sehe meinen ganzen Tag durcheinander geraten. Kurz bevor mein Hirn dann explodiert ist, rief mich ein kleiner Teil vom Verstand zur Ordnung. Ich saß dann anstatt auf der Yogamatte mit einer Tasse Kaffee in der Hand auf meinem Bett und telefonierte mit Ute. Ging dann mit den Hunden raus und die Yogapraxis gelang danach besser als zuvor.

Und dann irgendwann erkannte ich meinen Denkfehler und war so überrascht und so froh, das ich mich getraut habe eine Arschbombe in den Pool zu machen.

Ich wollte meine Auszeit vom System vorwiegend dazu nutzen um mehr spirituelle Praxis in mein Leben rein zu bringen. Mehr Yogi Routine. Wie das die tollen Yogis machen. Um 6 aus dem Bett auf die Yogamatte. Mit nichts im Bauch als einem Glas abgekochtes Wasser. Wie will ich denn eine richtig gute Yogalehrerin sein, wenn ich Abends mit einem Glas Rotwein da sitze und über dreckige Witze lache? Oder einfach mal einen Tag oder eine ganze Woche verstreichen zu lassen ohne die die Yoga Vidya Grundreihe zu praktizieren?

Und dann merke ich, ich bin eine gute Yogalehrerin weil ich Abends mit einem Glas Rotwein da sitze und über dreckige Witze lache und mal einen Tag oder eine ganze Woche ohne die die Yoga Vidya Grundreihe zu praktizieren, verstreichen lasse.

Das sehen andere anders, aber ich sehe das so und die anderen die sehen das ja nicht nur anders sondern sind ja auch ganz wo anders und deswegen könnten sie mir selbst dann am Arsch vorbei gehen wenn ich eine dreistellige Hosengröße hätte. Juhu.

Aber, die anderen die das anders sehen, die interessiert das genauso wenig wie mich das interessieren sollte wie andere das sehen. (kommt noch jemand mit?)  Der, der mir eigentlich auf den Nerv geht ist mein eigener Kritiker. Ein Teil im Kopf der sagt, dass ich eigentlich mehr leisten, mehr schaffen könnte, wenn ich mich mehr anstrengen würde. „Guck mal.“ sagt er „die ist dick und kann trotzdem einen Handstand.“ und wenn ich euphorisch denke ich bin auf dem richtigen Weg kommt er und sagt „Was glaubst du denn was das bringen soll? So was sinnloses.“ Und ganz oft war ich kurz vor einem Ziel und hab dann wieder umgedreht. Hatte was aufgebaut und bevor es ganz fertig geworden ist, wieder kaputt gemacht. Und es lag nicht an anderen, die mich demotiviert haben, weil sie nicht an mich glauben. Das hatte ich ganz alleine geschafft. Natürlich kann ich keine Kritik aushalten, wenn ich nicht davon überzeugt bin. Und dann gewöhnt man sich an Misserfolge die man selbst herbei prophezeit hat und ist vollkommen aus dem Häuschen wenn mal was funktioniert.

Meine ersten Yogastunden in der Freiraumgalerie – waren Sonntag Abend und offen, man brauchte sich nicht an zu melden. Die ersten beiden male waren das liebe Fräulein und zwei Freunde dabei. Sonst niemand. Und dann kam der Abend als ich über den Hof ging, heute sollten wir nur zu zweit sein, weil das Fräulein keine Lust hatte, stand eine kleine Gruppe Menschen auf dem Hof. Ich ging dran vorbei „Gnabend.“ mehr nicht. Was interessieren mich Leute die da rum stehen. Rein in meinen Yogaraum. Und plötzlich streckte eine Person den Kopf durch die Türe und fragte verlegen „Ist hier Yoga?“ ich konnte nur nicken und dann kam die ganze Gruppe rein und dann noch welche. Und ich bin in die Ecke gegangen und in Tränen ausgebrochen. Bis ein guter Freund mich daran erinnert hat, dass das doch mein Ziel war und ich sollte mich jetzt zusammen reißen und gefälligst die Yogastunde geben. Ich hatte ein paar Minuten gebraucht bis das Zittern aus der Stimme war und seit dem gings. Mir war es dann noch mal unangenehm als alle einen Geldschein zückten um mich zu bezahlen. Ich hatte den Drang zu sagen, dass es gut so ist und die Stunde frei ist. Bis jemand gesagt hat es wäre doch voll ok, weil die Ausbildung ja auch viel gekostet hätte und ich das ja mache um Geld zu verdienen. Und genau diese anderen, die ganz anders waren und sind als ich haben mir geholfen meinen inneren Kritiker im Zaum zu halten. Und es war eine so fantastische Gruppe.

Naja, was ich sagen wollte, ich muss nicht nur gegen den inneren Schweinehund kämpfen, sondern auch noch gegen den inneren Kritiker. Beide müssen ausgewogen sein. Ich habe keine Lust ein asketischer Superyogi, eine Haushaltsperle oder irgendwas super Perfektes zu sein. Das ist so anstrengend und ich weiß gerade nicht ob man perfekt in ganz vielen Sachen sein kann oder ob man dann ein perfektes, sehr einseitiges Wesen ist. Hätte der perfekte Yogi überhaupt Zeit einen Bauwagen aus zu bauen? Vielleicht wenn er dabei die ganze Zeit Mantras singt? Ach ne.

Aber ich möchte auch nicht mein Leben damit vertrödeln eine Serie nach der anderen zu streamen und mir dabei Rotwein und Kartoffelchips in den Hals zu kippen. Das findet mein Schweinehund verlockend.

Beide Teile gehören zu mir. Dem inneren Kritiker habe ich zu wenig Beachtung geschenkt und sein Werk immer auf andere geschoben. Das tut mir leid.

Beide Teile sind wichtig und ihnen muss ab und an Gehör geschenkt werden. Denn ihre Zusammenarbeit bilden einen großen Teil von dem was mich ausmacht. Und das ist – Tatatatatatataaaa – vollkommen ok.

Darauf muss ich noch ein bißchen drauf rum denken.

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