So, jetzt sind es schon zwei Monate im Stahlbeton. Mit einem normalen Job und einem strukturierten Leben.
Morgens raus, arbeiten, heim kommen, Hunde Gassi, was essen, kurzes Mittagsschläfchen, bisschen rum räumen, stricken, lesen, noch mal Hunde Gassi und Tasse Tee mit Ute, Abendbrot, lesen, schlafen.
ICH HASSE ES WIE DIE PEST!
Wenn ich nicht witzige und nette Kolleginnen hätte, würde ich den Job keine Woche machen. Denn irgendwie geht man davon aus, dass mit sinkender Hierarchie auch der Verstand abnimmt. Und was man sich da bieten lassen soll, ist manchmal nur noch zum lachen. Ich kenne so was. Jetzt wo mein alter Hund dement ist, denkt er manchmal, er könnte mich anknurren und ich merke richtig, wie er sich provozierend sein Ei leckt, mit trüben Blick in meine Richtung … „Hier, guck was ich kann, bist du dazu in der Lage? Du hast noch nicht mal ordentlich Fell und stinkst nach Seife, Bitch! “.
Nun kann ich keinen meiner Vorgesetzten mit einer zusammengerollten Zeitung eine überziehen und in sein Körbchen schicken.
Für mich ist es gerade eine kleine Sozialstudie, was sich Menschen alles gefallen lassen, die Angst um ihren Job haben.
Ich, bin gerade etwas zu bequem mir was anderes zu suchen und ich steh auf die Arbeitszeiten. Also mehr auf den Feierabend um 10:30 Uhr als auf den Beginn um 5 Uhr, aber ich als alter Frühaufsteher kann damit um gehen. Aber guckt mal, ich habe EINE Bewerbung geschrieben, keine Zeugnisse dazugelegt, Lücken im Lebenslauf und ein Selfie wo ich einen Fenstergriff, der aus meinem Ohr geragt hat, wegretuschiert habe. Zwei Tage später hatte ich eine Arbeit. Im Billiglohnsektor findest du IMMER einen Job. Gerade wenn man dazu noch sehr früh aufstehen muss. Man geht einfach auf die Internetseite und füllt das Onlineformular aus. Danach ruft dich jemand an und wen du nicht auf der Wurstsuppe daher schwimmst, bekommst du einen kleinen Job und Mindestlohn. Aber gerade die Menschen, die diese kleinen Jobs machen, sind superwichtige Rädchen im Getriebe. Nicht nur Schmierfett! Rädchen! Ohne die würde es nicht laufen. Natürlich wäre hier jeder ersetzbar, man braucht keine besonderen Qualifikationen um das zu machen. Aber ersetzbar durch wen? Wie es aussieht, wollen gar nicht so viele so einen Job machen. Aber durch buntes Geschwätz wird jeder so manipuliert, dass er meint, er müsste noch was mitbringen, damit er überhaupt hier arbeiten darf. Ich bin mir ziemlich sicher … so geht es ziemlich vielen, nicht nur bei uns.
Ich zieh das erst mal durch. Ich habe viel Freizeit und fahre 10 Minuten mit dem Rad auf Arbeit und muss auch erst mal zu Geld kommen, um weitere Pläne zu machen.
Mit den Plänen ist das inzwischen ja auch so eine Sache. Der alte Hund ist ja nun mehr nur ein temporäres Hindernis, um mit dem Bollerwagen durch Deutschland zu ziehen, um sich jedes Bundesland (bis auf Bayern) mal anzugucken. Spanien und Italien hingen in der Luft und ich hatte schon eine kleine Liste gemacht von Dingen, die ich brauchen werde, wenn ich gehe. Außerdem wollte ich noch anfangen meine Fühler Richtung Ashram an der Nordsee auszustrecken, weil ich da am Ende hätte bleiben wollen … vielleicht.
Nun … plane ich ja nicht mehr alleine. Wie es aussieht, bin ich in festen Händen und diesmal ist es tatsächlich so, dass ich das nicht nur glaube. Er nennt mich offiziell seine Freundin und ich hat mich auf eine Party zu seinen Freunden mitgenommen. Seine Mutter weiß von mir und es gibt keine Ex-Freundin, die ihm noch auf die Bude kriecht. Er liegt Sonntag Morgen neben mir und schläft, während ich mit meinen Schwestern Videochat mache, hört uns labern und scheint mich immer noch gut zu finden. Das bedeutet, er ist ziemlich schmerzbefreit und ich würde es begrüßen, wenn er bis zum bitteren Ende durchhalten und bleiben würde.
Allerdings … ist er sehr, sehr Technik affin und ein Daniel Düsentrieb. Ein Leben in einer Jurte oder einem Bauwagen kommt vermutlich weniger infrage. In Abgeschiedenheit auch nicht. Ohne Netz und doppelten Boden auch nicht.
Ich bin gerade etwas kopflos, weil ich mich quasi schon wieder neu erfinden muss. Das Arbeitsleben, was ich jetzt führe, ist nicht das, was ich auf Dauer machen will und kann. Die Wohnverhältnisse gehen mir auch übelst auf die Frucht.
Heizung und fließend warm Wasser…ach übrigens … ich liege gerade hier und bin KRANKGESCHRIEBEN! Ich hatte seit 2015 keine Erkältung mehr. Ich bin im Bauwagen morgens aufgewacht und konnte meinen Atem als weiße Wolke sehen. Ich habe bei Minus 18 Grad Holz gesägt und habe in Decken gewickelt gewartet bis es heiße 10 Grad im Wagen waren. Ich habe mich mit warmen Wasser in einer Schüssel gewaschen und hatte dabei Gänsehaut, weil frostige Luft durch die Ritzen gepfiffen ist …
UND ICH HATTE NOCH NICHT MAL EIN KRATZEN IM HALS!!!
Und jetzt lieg ich hier mit Medikamenten vollgestopft und kann nicht durch die Nase atmen und mein Hals tut weh und meine Ohren und Fieber hatte ich auch!
DAS KANN JA WOHL NICHT SEIN!
Nun gut. Das ist JETZT einfach mal so. Anfang 2014 habe ich ja schon mal vor so einer Aufgabe gestanden und sie sehr … spannend und ereignisreich … bewältigt.
Hätte man mir, als ich 2016 dann alles hingeworfen habe, gesagt – was alles auf mich zukommt – wäre ich verrückt vor Angst geworden. Nun, ich habe eine Menge Erfahrungen sammeln dürfen und wunderbare Menschen kennengelernt. Mich auch und ich bin … anstrengend aber ziemlich klasse.
Jetzt fühlt es sich manchmal so an, als wenn man zurück zum Start geschickt worden wäre. Ich kann noch mal los. Nur mit ganz anderen Erfahrungen, Erkenntnissen,
Voraussetzungen und die wichtigste ist … nicht mehr alleine. Wenn ich jetzt mit dem Kopf durch die Wand will, steht mir jemand mit Vorschlaghammer zur Seite … oder mit Verbandskasten.
Mir ist es immer noch wichtig so günstig, nachhaltig und umweltverträglich unterwegs zu sein wie es möglich ist und es so gemütlich, bequem und schön zu haben wie es nur geht. Aber ich muss dazu nicht mehr durch die Weltgeschichte laufen, ich arrangiere mich mit der Gegend, wo ich jetzt bin. Ein Ministück Herz wird immer der Schwalm gehören, der größte Teil liegt noch in Halle, aber für Leipzig ist auch noch genug da.
Mal gucken. Es könnte noch mal spannend werden.